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© 2021 by Heinz Hermann Maria Hoppe
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‘In Isolation’ / Animierte Projektion / 2021 / Laufzeit: 00:01:11
viral entzweit /
die hüsteln, die einen, die anderen gucken dann /
die einen besser weg, die anderen konfrontativ /
die einen desinfizieren, die anderen schütteln die köpfe /
die einen hinter ihren masken, die anderen mucken ohne auf /
die einen regieren, die anderen lamentieren auch /
die einen krepieren, die anderen kredenzen /
die einen weinen, die anderen lachen – noch? /
die einen liefern, die anderen konsumieren gelangweilt /
die einen mobilisieren, die anderen demontieren /
demonstrativ vereint, die anderen /
die einen investieren, die anderen jetzt doch nicht /
die einen im homeoffice, sind die anderen auch zu hause /
die einen profitieren, die anderen fallen wieder durchs raster /
die einen impfen, die anderen warten noch /
auf die einen ///
Kommentar
Autor: Heinz Hermann Maria Hoppe
März 2021. Wir befinden uns noch immer in einer Art Schwebezustand, manch einer sieht sich im freien Fall. Die Pandemie und der Lockdown halten an, eine dritte Welle deutet sich aufgrund der wieder steigenden Infektionszahlen an. Erkrankte, Alte und Behinderte sind noch immer isoliert. Wir warten auf die Impfung oder verweigern sie. Menschliche Bindungen sind unterbrochen, manch einer stirbt einsam und an Gram. Kein Handschlag, keine Umarmung, ein gewolltes Lächeln hinter der Maske verborgen … Der große Bogen, den wir umeinander machen – wie wird uns das neue Verhalten für unsere Begegnungen nach der Pandemie prägen? War der Umgang miteinander nicht schon vorher distanziert, unpersönlicher als früher? Leben wir nicht längst in Gesellschaft lauter Einzelgänger, die nur noch an sich denken?
Ein Virus ist kein Tier, eher ein ›Ding‹, ohne neuronales System; nur ein Mikro-Container, der molekulare Codes in Zellen schleust. Manche Viren ›überleben‹ sogar im Weltraum. Sie sind Teil unserer Ökosysteme und des Superorganismus Mensch. Trotzdem verfluchen wir die Viren, weil eines von ihnen es gewagt hat, unsere Vorstellungen zu übertreten.
Das in uns inzwischen zementierte Bild vom Corona-Virus gibt uns eine Zielvorstellung. Wir machen uns immer innere Bilder von unseren Gegnern, auch wenn sie noch so klein sind. Irgendwen oder irgend etwas müssen wir bekämpfen, damit wir Frieden mit uns machen können. In der Pandemie bekämpfen wir uns auch wieder gegenseitig, wir kämpfen um knappe Masken- und Impfstoff-Kontingente, um regionale und nationale Grenzschließungen, – anstatt an einem Strang zu ziehen. Nach der Panik werden wir absehbar weitermachen, wie gehabt, anstatt zu unterlassen, was alle und alles kaputt macht.
Das Virus kennt keine Grenzen, wir erkennen unsere Begrenztheit nicht. Wenn es um naheliegende Vorteile geht, schauen wir auch nur auf das Morgen, nicht weiter voraus. Wir können uns nicht einig werden und heizen Stimmungen eigennützig an, statt uns an klare Regeln zu halten. In der Corona-Pandemie sind Worte des Krieges längst gewöhnlich geworden: Systemrelevanz, Triage, Nachverfolgung, Krisenprodukte, Reservekapazitäten, Corona-Spitzel und Corona-Diktatur, Notparlament, Übersterblichkeit, Grenzschließung, Durchseuchung, Verschwörung, Sicherheitsabstand, Allgemeinverfügung, Kontaktperson, Bewegungsprofil, Ausgangssperre, Schutzschirm, Mortalitätsrate, Maskenpflicht, Grundrechtseingriff, Risikogebiet, Krisenpolitik, Katastrophenfall, Zielinzidenz, Isolation, Exit-Strategie, … Solche Worte machen den einen Angst, andere feuern sie noch an.
›Wir sind selber schuld,‹ sagen die Experten. Weil wir zu sehr in die Natur eingreifen. Die Covid-19-Pandemie ist selbstgemacht und wird nicht die letzte Pandemie sein, sagen Wissenschaftler. Dann wären wir durch unser absehbares Handeln nach der Krise weiterhin unser größter Gegner. Ist der Mensch der natürliche Feind seiner selbst? Liegt es in der Natur des Menschen, sich selbst auszulöschen, im Gegensatz zu den Tieren, die sich für ihre Brut aufopfern? Wenn nicht, wie sind dann auch die vielen Kriege der Geschichte zu erklären, bei denen es den Kriegsparteien ursächlich nicht ums Überleben aufgrund zu knapper Nahrungsmittel ging? Wie ist zu erklären, das wir die Existenzgrundlagen unserer Nachkommen für ein abstraktes Tauschmittel – Geld – hergeben?
Es könnten sich schon bald noch katastrophalere Zoonosen ausbreiten, die noch tödlicher verlaufen und die Weltwirtschaft noch stärker treffen, warnen Wissenschaftler des Weltbiodiversitätsrats IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services), in dem auch Deutschland Mitglied ist. Wenn wir den unkontrollierten Handel mit Wildtieren nicht beenden, wenn unsere Handels- und Produktionssysteme Naturräume durch die Land- und Forstwirtschaft weiter zerstören und wenn wir unseren Überkonsum und unsere Verschwendung nicht stoppen, dann könnten sich geschätzte 1,7 Millionen bislang unbekannte Viren offenbaren. 500 000 bis 850 000 davon sollen das Potential für neue Pandemien haben.*
Quellen:
* Vgl. Krumenacker, Thomas, Wider das Pandemiezeitalter in Süddeutsche Zeitung, Rubrik Wissen vom 30. 10. 2020.
Siehe auch Internationale Website ipbes www.ipbes.net und Workshop-Bericht der ipbes Deutsche Koordinierungsstelle www.de-ipbes.de/de/IPBES-Workshop-Bericht-zu-Biodiversitat-und-Pandemien-2075.html