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© 2022 by Heinz Hermann Maria Hoppe. Alle Rechte vorbehalten.
Farb- und Tonwertdarstellungen auf Monitoren weichen vom Original ab.
Kommentar
Autor: Heinz Hermann Maria Hoppe
Uhren waren bald nach ihrer Erfindung viel mehr, als nur Instrumente zur Zeitmessung. Die feine Mechanik der Uhrwerke und anderer technischer Apparaturen faszinierte die Menschen und prägte ihre Weltanschauung. Präzise ineinandergreifende Bauteile mit ihren spezifischen Funktionen, kombiniert mit systemischem Denken, befeuerten die Technikgläubigkeit. In Modellen bildete der Geist der Mechanik die menschliche Anatomie und die Planetenbahnen ab. Geniale Erfindungen ermöglichten immer kühnere Konstruktionen für den Bau der Titanik, des Eifelturmes, der Apollo-11-Rakete … Perfektionierte Motoren mit ihren interagierenden Kurbelwellen, Pleuelstangen und Kolben ,unter der Haube‘ begeistern bis heute.
„Form follows function“1 – neben neuen Funktionen prägen innovative Technologien generell auch unser ästhetisches Empfinden. Die aktuellen Megathemen ,Künstliche Intelligenz‘ und ,Biotechnologie‘ werden sich vermehrt auch in der Kunst und im Grafikdesign wiederfinden. In den Bildarchiven von Agenturen findet man schon länger und zuhauf Visualisierungen von stilisierten Datenströmen und von ,Clouds‘.
Algorithmen analysieren nicht nur Daten. Die strenge Logik der Nullen und Einsen erzeugt auch immer schönere Bilder. Programme produzieren Ästhetik. Andersherum gestalten Menschen für Algorithmen. Texter und Webdesigner optimieren ihre Kreationen eigens für Suchmaschinen. So mancher Text wird von vornherein ausschließlich für die Robots geschrieben. Dass unser ästhetisches Empfinden auch durch die IT geprägt ist, verwundert nicht: die digitalen Entwurfswerkzeuge in Grafikprogrammen sind ,erwachsen‘ geworden, die Computermaus hat Stift und Pinsel weitgehend verdrängt.
Alle ,möglichen‘ Prozesse werden digitalisiert und automatisiert. Sogar die qualifizierten Arbeitsfelder von Ärzten und Rechtsanwälten sollen sich durch Kollaborationen mit künstlicher Intelligenz verschieben. Wie steht es in der Beziehung um die Berufsfelder der bildenden Kunst? Kann Künstliche Intelligenz auch Kreative ersetzen? Sind ,künstlerische Werke‘ überhaupt an menschliche Künstler gebunden?
Gestaltung ist in besonderem Maß mit Emotionen verbunden. Auf der untersten Ebene unseres ,Betriebssystemes‘ sind Emotionen aber biochemische Prozesse. „Gefühle beruhen nicht auf Intuition, Inspiration oder Freiheit – sie beruhen auf Berechnung“2. Was, wenn unsere Emotionen ausgewertet und durch Algorithmen kreativ interpretiert würden? Künstliche Intelligenz wäre innerhalb kürzester Zeit in der Lage, Bilder, Kompositionen und Malstile vergangener Jahrhunderte zu analysieren. Anhand der Muster massenhaft gelikter Bilder ließen sich Themen, Trends, Gestaltungsstile und Farbpräferenzen zu neuen künstlerischen Werken kombinieren.
Anmerkungen:
Vielen Dank an Oliver Laric von threedscans.com für die 3D-Scandaten der historischen Plastiken (Drei Nymphen und Venus). Die Bildhauer der Originale sind auf der Website benannt.
1 Der Ausdruck “Form follows function” wird dem amerikanischen Architekten Louis Sullivan zugeschrieben.
2 Yuval Noah Harari, ,21 Lektionen für das 21. Jahrhundert‘, C∙H∙Beck, S. 91
3: Siehe Walter Benjamin, ,Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit‘, Werke und Nachlaß. Kritische Gesamtausgabe, Band 16, Suhrkamp, Berlin 2013.